„Am schlimmsten trifft es die Kinder“

Nicht nur Gewerbe­ treibende, auch die Vereine der Region spüren die Auswirkungen der Kontaktbeschrän­kungen. Musikvereine und Chöre können nicht proben, Sportvereine nicht trainieren. In einer Serie fragt VorSicht die Vereine, wie sie die Krise bewältigen.


Mehrere Tausend Mitglieder in den erfolgreichen Sportvereinen der Region Rhein-Nahe sind nun schon seit über einem Jahr von der Corona-Pandemie ganz besonders betroffen. VorSicht sprach mit Hans-Wilhelm Hetzel, dem Abteilungsleiter Hockey des VfL 1848 Bad Kreuznach, über die Herausforderungen der Corona-Krise.

VorSicht:
Wie hat sich die Pandemie bis heute auf das Vereinsleben beim VfL ausgewirkt? Mit welchen Widrigkeiten ringen Sie am meisten?
Hans-Wilhelm Hetzel: Wir Amateursportler müssen allesamt viel Geduld aufbringen, denn die Corona-Krise bringt so ziemlich alles durcheinander. Die Folge sind Saisonabbrüche, Spielverlegungen und starke Einschränkungen. Als Verein an der Basis hoffen wir seit Monaten auf eine Berücksichtigung des Breitensports bei den Lockerungsschritten. Dazu verweisen wir in Zusammenarbeit mit unserer Geschäftsstelle und dem Sportamt der Stadt Bad Kreuznach auf bestehende, gut ausgearbeitete Hygienekonzepte und denken dabei auch gleichzeitig an die überragende und gesellschaftliche Bedeutung des Sports. Wir müssen alles dafür tun, um mögliche Folgen für unsere Abteilung und deren aktive Mitglieder abzuwenden. Die besondere Herausforderung für uns bestand gerade anfangs darin, den Kontakt zu den Kindern und Eltern aufrecht zu erhalten. Die trainings-freie Zeit im Winter haben wir dazu digital und durch Sonderaktionen überbrückt.
Am schlimmsten trifft es natürlich die zahlreichen Kinder und Jugendlichen in unserer Abteilung. Gemeinsam toben, spielen. Das fehlt. Wenn wir Trainingseinheiten wie beispielsweise unsere Hockey–Camps anbieten können, scharren die Nachwuchstalente praktisch mit den Hufen. Ihr Bewegungsdrang und das Verlangen des Zusammenkommens mit Freunden ist einfach gewaltig. Mit einem Wort: Soziale Bindung und Gemeinschaft fehlen!


VorSicht: Training ist aktuell ja nicht einmal im Freien möglich. Spüren Sie ein nachlassendes Interesse Ihrer Vereinsmitglieder?
Hans-Wilhelm Hetzel: Das ist so direkt nicht zu erkennen. Natürlich gewöhnt sich auch bei uns der ein oder andere an eine bewegungslose Zeit und die „freien Wochenenden“. Dabei hat der Medienkonsum sicherlich zugenommen. Ausgefallene Trainings- und Spielzeiten werden verstärkt durch tägliche Bildschirmaktivitäten wie TV, Konsole, Computer und Smartphone kompensiert. Aktuell dürfen wir immerhin noch in Kleingruppen trainieren und die Kinder sind begeistert.

VorSicht: Welche Aspekte der Pandemie und welche Maßnahmen machen Ihnen das Leben aktuell besonders schwer?
Hans-Wilhelm Hetzel: Das größte Problem dürfte sein, dass man die gemeinschaftlichen Treffen mehr oder weniger komplett heruntergefahren hat, was uns sehr fehlt. Seit 1956 bei den Knaben und seit 1975 bei den Mädchen sind wir traditioneller Gastgeber bei den großen VfL Nachwuchsturnieren im Stadion Salinental. Diese attraktiven Events fallen nach 2020 nun auch in diesem Jahr der Pandemie zum Opfer. Die Enttäuschung darüber ist riesengroß, nicht nur bei den Kids, sondern auch bei den Erwachsenen. Das Ganze geht einher mit finanziellen Einbußen.


VorSicht:
Was unternehmen Sie, um Vereinsmitglieder weiter an den Verein zu binden?

Hans-Wilhelm Hetzel: Digitale Sonderaktionen wie zum Beispiel Jahresabschlussrunde, Quiz, närrische Benefizsitzung und Telkos helfen uns weiter. Positiv angenommen wurde unter anderem auch der VfL-Spendenlauf und insgesamt acht Hockeycamps, die bis Ende 2021 geplant sind. Lobende Rückmeldungen gibt es für das kostenlose, unverbindliche „Schnuppertraining“ für Anfänger/innen ab vier Jahren. Und auch in Kindergärten ist die Hockeyabteilung engagiert. Alex Dehmer, einer der beiden hauptamtlichen Übungsleiter im VfL 1848 Bad Kreuznach, nutzt Kooperationen mit den KITAS, um den Kleinsten der Kleinen spielerisch die faszinierende Sportart Hockey näher zu bringen.


VorSicht: Auf welche eigenen Aktionen während der Pandemie sind Sie besonders stolz?
Hans-Wilhelm Hetzel: Besonderes stolz sind wir auf eine „außersportliche Aktivität“. Am 13. Februar ab 18.48 Uhr veranstalteten wir unter Leitung unseres rührigen Trainers Thorsten Ackermann eine Benefiz–Fastnacht-Sitzung, zu der sich mehr als 200 Narren über die Videoplattform Zoom zugeschaltet hatten und für eine hervorragende Stimmung sorgten. Mehr als 30 verschiedene Beiträge etlicher regionaler Karnevalsvereine, ebenso von Erwachsenen und Jugendlichen aus der großen VfL Hockeyfamilie, spülten eine schöne Summe in die Kasse des VfL-Hockey Fördervereins.


VorSicht: Oft gibt es von Seiten der Politik Versprechen zur Unterstützung. Was wünschen Sie sich ganz konkret von den Entscheidungsträgern in Stadt und Land?
Hans-Wilhelm Hetzel: Von der Politik bin ich mehr oder weniger enttäuscht. Amateursportler und deren Vereine werden so gut wie gar nicht unterstützt. Wir haben einfach keine Lobby und wahrlich keine rosigen Perspektiven. Selbst die großen Sportverbände gehen nicht entschieden genug auf die Barrikaden. Millionen Kinder wer- den weggesperrt. Wichtig scheinen Profibereiche, die dann finanzielle Mittel erhalten, um „teure Stars“ auch weiterhin gut bezahlen zu können. Und wenn ich sehe, dass Urlaub auf Mallorca zugelassen und der Freizeitsport fast komplett runtergefahren wird, fehlt es mir an jeglichem Verständnis. Die Entwicklung ist einfach eine Katastrophe. Wir alle hoffen, dass die Epidemie bald zu Ende geht, aber ich würde mir von den Verantwortlichen wünschen, dass man mehr an unsere Zukunft denkt – und die Zukunft sind nun einmal die Kinder! Auf finanziellen Beistand in dieser für uns alle schwierigen Zeit seitens der Politik will ich gar nicht hoffen – es gestaltet sich äußerst schwierig, beziehungsweise wird nur versprochen und absolut nichts gehalten.