In der Kategorie Kabarett erhält Sarah Bosetti den Deutschen Kleinkunstpreis 2025. Damit zeichnet die Jury eine Künstlerin aus, die durch ihre lyrisch-analytische Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Diskurs ein Vakuum in der deutschen Kabarett-Szene mit frischer Luft gefüllt hat. Sie entwaffnet Hasskommentare mit gedichteter Ironie und bietet den gefährlich einfachen Lösungen des Populismus mit Poesie die Stirn. Sarah Bosetti blickt über das Weltgeschehen hinaus auf die immer unversöhnlicher werdenden Auseinandersetzungen innerhalb der Gesellschaft, und das multimedial auf allen Plattformen. Sowohl auf der Bühne als auch mit ihrem grimme- und fernsehpreisdekorierten TV-Format „Bosetti Late Night“, ihrer wöchentlichen Online-Kolumne, in Podcasts, auf Social Media und in ihren Büchern kämpft sie gegen große Widerstände und Anfeindungen aus populistischen Lagern für eine reflektierte, informierte und differenzierende Gesellschaft, in der nicht nur die lauteste Überschrift verfängt. Ihre umfangreichen sprachlichen, ironischen und analytischen Mittel machen sie zu einer herausragenden Kabarettistin dieser aufgewühlten Zeit.
Den Deutschen Kleinkunstpreis 2025 in der Kategorie Musik erhält Liedermacher Falk (Falk Plücker). Mit ihm zeichnet die Jury einen jungen Barden aus, der Kunst und Handwerk des Liedermachens pflegt und mit neuem Leben füllt. Wie einst Hannes Wader und Reinhard Mey steht er mit der Klampfe auf der Bühne und singt seine klugen Lieder: mal bissig und bösartig, mal liebevoll, zärtlich und balladesk, jedoch immer mit einem einnehmenden, spitzbübischen Charme. Mit Akribie verfolgt Falk sein Ziel, dass sich jede und jeder im Publikum am Abend mindestens einmal getroffen fühlen und so richtig ärgern soll. Das schafft er mühelos: mit einem Repertoire, das sowohl mit Breite als auch mit Tiefgang überzeugt.
Den Deutschen Kleinkunstpreis 2025 in der Kategorie Kleinkunst erhalten Zärtlichkeiten mit Freunden (Christoph Walther & Stefan Schramm). Sie sind nach eigener Aussage gut bis sehr gut. Das stimmt fast. Denn sie werden nicht nur ausgezeichnet, sie sind auch ganz ausgezeichnet. Die Zuzweitunterhalter Ines Fleiwa und Cordula Zwischenfisch haben mit ihrem Musik-Kasperett eine ganz eigene Form des klugen Unsinns geschaffen. Was die beiden Grobmusiker an ihren Instrumenten nicht hinbekommen, reißen sie auch dadurch nicht raus, dass sie sich in ihren puppenlustigen Dialogen nur bedingt verstehen. Mittendrin verbirgt sich das, was es so lohnend macht, mit den beiden auf eine Reise durch ihre Geschichten zu gehen: präzise Menschenkenntnis, die richtigen Fragen zu jeder Zeit und natürlich keine Antworten. Ihre Nahbarkeit lässt das Publikum immer wieder mit den Bühnenfiguren zusammenwachsen, die nur vordergründig skurril daherkommen. Bei genauer Betrachtung zeichnen sie ein stimmiges Psychogramm ihrer sächsischen Heimat. Und beim Entwirren der Gedankengänge der beiden Perückenträger kann man sich selbst neu finden. Ihre Art der Kunst ist alles andere als klein und seit 26 Jahren einzigartig geblieben.
Den Deutschen Kleinkunstpreis 2025 in der Kategorie Stand-Up erhält Filiz Tasdan. Filiz Tasdan hat die deutschsprachige Stand-Up-Szene in Rekordzeit geprägt. Ihr erstes Soloprogramm „Super Plus“ ist ein Maßstab für zeitgemäße Comedy: Schnell getaktet und präzise präsentiert, originell und doppelbödig, aber niemals verkopft oder gar moralisch. Als Werbetexterin hat sie gelernt, auf den Punkt witzig zu sein. Auf der Bühne macht sie aus dem Handwerk nun große Kunst und erschafft ihre ganz eigene Welt. Die Berlinerin mit türkischen Wurzeln formt Klischees und Vorurteile zu Punchlines, die das Publikum mit der nötigen Härte erwischen – und in bester Stand-Up-Tradition die Künstlerin am wenigsten verschonen. Mit scharfer Beobachtungsgabe wechselt sie rasant zwischen derben Jokes, gesellschaftlicher Analyse und abgründiger Fantasie. Wer Comedy für leichte Kost hält, ist bei Filiz Tasdan an der falschen Adresse. Wer bereit ist, für guten Humor hinter die Grenzen der eigenen Komfortzone zu blicken, wird Filiz Tasdan nicht mehr vergessen.
Den Förderpreis der Stadt Mainz zum Deutschen Kleinkunstpreis 2025 erhält Teresa Reichl. Mit ihr würdigt die Jury zum ersten Mal eine Künstlerin aus Haunersdorf bei Simbach nahe Landau an der Isar. Genauer gesagt: Irgendwo aus dem Nirgendwo Niederbayerns. Die provinzielle Herkunft ist für die 28-jährige zugleich Programm und Tarnkappe. Dahinter verbirgt sich eine junge Frau von Welt, die ihre satirischen Spitzen mit spitzer Zunge und breitem Dialekt gegen die Populisten abschießt, die meinen, dass sie die Provinz für sich gepachtet haben. Wenn die studierte Lehrkraft der „Söderin“ auf Niederbairisch Nachhilfe in gendersensibler Sprache erteilt, hat der Feminismus die Lacher auf seiner Seite und klingt – oh Wunder – beinahe stammtischtauglich. Ihre mitreißende Mund-Art erweitert unseren Horizont und rückt aktuelle Befindlichkeiten in einen überraschenden Kontext: Wenn sie die Absurdität von Abschiebepolitik in Zeiten des Fachkräftemangels analysiert. Oder ihren feministischen Schabernack mit den misogynen Helden der Literaturgeschichte treibt. Dabei versteckt sie sich nicht hinter politischen Positionen, sondern schildert mit bemerkenswerter Offenheit, wie sie ganz persönlich die Macht patriarchaler Normschönheit am eigenen Leib zu spüren bekommt. Eine wahrhaft dialektische Dialektperformance. Angriffslustig und verletzlich, intellektuell und bodenständig. Und von großer Selbstverständlichkeit. Dieser Förderpreis ist ein Warnruf: „Obacht, die kann was“ – sie hätte es gar nicht über ihr erstes Solo schreiben müssen.
Den Ehrenpreis des Landes Rheinland-Pfalz zum Deutschen Kleinkunstpreis 2025 erhält Bernd-Lutz Lange, der die Bombennacht 1945 in Dresden überlebte. Er erlebte 1968 den Prager Frühling vor seiner Niederschlagung. Er war als einer der „Sechs von Leipzig“ 1989 maßgeblich daran beteiligt, dass die friedliche Revolution in der DDR gewaltfrei blieb. Was ihn prägte, ließ ihn werden, was er ist – ein großer Humanist. Und einer der bedeutendsten Kabarettisten und Schriftsteller deutscher Sprache. Bernd-Lutz Lange steht seit 59 Jahren auf der Bühne. Er war einer der prägendsten Köpfe des Kabaretts in der DDR. Einzigartig ist seine visionäre Weitsicht gepaart mit genauester Beobachtung seiner unmittelbaren Nähe. Seine Texte sind philosophische Miniaturen – ohne zu belehren oder zu erklären. Seine Pointen sind scharf, treffsicher und doch voller Güte. Auch durch seine inzwischen an zwei Händen nicht mehr abzuzählenden Bücher ist Bernd-Lutz Lange mit seinem Gesamtwerk zu einem präzisen Chronisten zweier Deutschlands geworden. Sein Angebot ist, verstehen zu können, wenn man will. Und herzlich darüber zu lachen.
Die Verleihung des 53. Deutschen Kleinkunstpreises findet am 22. März 2025 im Frankfurter Hof Mainz statt. Sie wird von Tobias Mann moderiert, selbst Preisträger des Deutschen Kleinkunstpreises in der Kategorie Kabarett im Jahr 2017 und Förderpreis im Jahr 2008. Veranstalter und Verleiher des Preises ist das Mainzer unterhaus.
3sat-Sendetermin ist der 30. März 2025, 20.15 Uhr.