Karl-Heinz Seeger

Sie können nicht mehr kalkulieren

 

Steigende Preise und Planungsunsicherheit bereiten Wohnungsbauunternehmen große Sorgen. VorSicht sprach mit Karl-Heinz Seeger, dem Geschäftsführer der Bad Kreuznacher GEWOBAU und Vorsitzendem der Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz in den Verbänden der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen und südwest. 
 

Steigende Baukosten, Materialknappheit – das stellt auch bestehende Vorhaben und Projekte vor große Probleme. Gibt es bei der GEWOBAU Projekte, die schon auf Eis liegen?

Karl-Heinz Seeger: Unsere laufenden Projekte können wir nicht auf Eis legen. Die sind schon zu weit gediehen. Aber ich weiß, dass bundesweit 70 Prozent der Projekte ein- oder zurückgestellt werden. Wir haben gerade fünf größere Projekte in der Umsetzung – da geht es mitunter um Schadensbegrenzung.

Insbesondere im sozialen Wohnungsbau sind die Kosten sehr eng kalkuliert. Auf Rheinland-Pfalz bezogen – sehen Sie zukünftig Engpässe im sozialen Wohnungsbau?

Karl-Heinz Seeger: Bundesweit sollen im nächsten Jahr 400.000 neue Wohnungen entstehen, davon 100.000 im sozialen Wohnungsbau. Die GEWOBAU differenziert da nicht so stark, denn ob öffentlich gefördert oder frei finanziert – wir liegen mit unseren Mietpreisen sogar unterhalb des öffentlich geförderten Bereichs. Das liegt daran, dass wir viele ältere Objekte im Bestand haben. Bei den Neubauten liegen die Preise natürlich etwas höher ... Grundsätzlich gilt in der heutigen Zeit umso mehr: Wenn sozialer Wohnungsbau gefordert wird, muss er auch entsprechend gefördert werden. Das rheinland-pfälzische Bau- und Finanzministerium steht mit unseren Interessenvertretungen in engem Austausch und unterstützt uns auch dahingehend, die begonnen Projekte zu realisieren. Denn die gestern kalkulierten Preise lassen sich heute nicht mehr halten. Wir erleben bis zu 70 Prozent Steigerungen bei Baustahl, beim Beton, beim Holz. Teilweise hat man für eine Dachlatte 20 statt fünf Euro gezahlt. Damit können Sie nicht kalkulieren – weder im frei finanzierten noch im öffentlich geförderten Bereich.

100.000 neue Sozialwohungen – ist dieses Ziel unter den Umständen überhaupt erreichbar?

Karl-Heinz Seeger: Der öffentlich geförderte Wohnungsbau ist in Mietstufen aufgeteilt. Vor allem in den niedrigeren Stufen ist es derzeit nicht möglich, öffentlich gefördert zu bauen. Das muss man einfach sagen. Wer fordert, wir müssen unter diesen Bedingungen 100.000 Wohnungen bauen, lebt in einem Elfenbeinturm. Das funktioniert nicht. Als öffentliches Wohnungsbauunternehmen sind wir die „Rote Linie“: Wenn wir nicht mehr bauen, dann baut niemand mehr.

Welche Unterstützung erwarten Sie von politischer Seite?

Karl-Heinz Seeger: Von politischer Seite kann man nur mehr Wohnungen fordern, wenn man sie auch fördert. Außerdem ist das Thema Bauland entscheidend: Auf teuren Grundstücken können Sie keinen günstigen Wohnraum schaffen. Wir brauchen also bezahlbare Baugrundstücke. Und in der Bauverwaltung brauchen wir einen Digitalisierungsschub, um schnellere Genehmigungsverfahren zu ermöglichen. Im Moment fahren wir bei den Planungen auf Sicht. Wenn dann Genehmigungsverfahren monatelang dauern, können sich die Rahmenbedingungen fundamental zur ursprünglichen Planung verändert haben. Früher konnten wir langfristiger kalkulieren, wir hatten Konstanten, aus denen heute Variablen geworden sind.

Die steigenden Energiepreise treffen die Mieter durch höhere Abschläge und die Vermieter gegebenenfalls dadurch, dass sie bei der Nebenkostenabrechnung auf Kosten sitzen bleiben. Wie managen Sie das Dilemma?


Karl-Heinz Seeger: Zunächst einmal können wir Abschläge auch mehrfach anheben, das ist in gewissen Grenzen juristisch machbar. Zwei Drittel unserer Mieter haben ihre Verträge direkt mit den Versorgern abgeschlossen. Außerdem haben wir eine relativ hohe Eigenkapitalquote, das Risiko ist also kalkulierbar. Wir arbeiten mit Ratenzahlungen und gehen frühzeitig in den Dialog mit unseren Mietern. Wir haben schon unter Corona gezeigt: Wenn Menschen unverschuldet in Schwierigkeiten geraten sind, beispielsweise wegen Kurzarbeit, sind wir gesprächsbereit. Die Kaltmiete bei der GEWOBAU beträgt durchschnittlich 4,91 Euro pro Quadratmeter und liegt damit weit unter der Durchschnittsmiete von Bad Kreuznach. Die Nebenkosten möglichst gering halten zu können, hat die GEWOBAU in den letzten zehn Jahren über 450 Wohneinheiten energetisch saniert.

Alternative Energien in Neubauten ist heute Standard. Im Bestand allerdings lassen sie sich nur schwer umsetzen. Wo liegt die Zukunft der Energieversorgung in Bestandsgebäuden?

Karl-Heinz Seeger: Ein Drittel unserer Bestandsgebäude sind bereits saniert – unter anderem durch eine bessere Wärmedämmung und mit modernen Brennwertheizungen. Das hat geholfen, die Betriebskosten erheblich zu senken. Aber beispielsweise in der Mannheimer Straße 27, dem ehemaligen Gebäude der „Pizzeria ToGo“, habe wir eine Brennstoffzelle eingebaut. Eine PV-Anlage bekommen Sie da nicht auf’s Dach, und eine Luft-Wärme-Pumpe funktioniert ebenfalls nicht, da dort eine Flächenheizung, also eine Fußbodenheizung gebraucht wird. Mit der Brennstoffzelle können Sie Wasserstoff, Biomethanol und natürlich auch Gas verbrennen. Das sind innovative Lösungen, die aber Technologieoffenheit voraussetzen. In Deutschland fokussieren wir zu sehr auf die Luft-Wärmepumpe. Anders als in Großbritannien, wo Wasserstoff bereits stark zum Einsatz kommt.

Wie setzen Sie innovative Techniken ein?

Karl-Heinz Seeger: Ein besonders nachhaltiges Projekt, das wir gerade in der Schubertstraße umsetzen, ist das KUB – das steht für klimapositiv und barrierefrei. Es ist in serieller Massivbauweise errichtet. Zum Einsatz kommen hier Holzspansteine mit integrierter Holzfaserdämmung – mit sehr guter CO2-Bilanz und geringem Transportgewicht. Gefüllt wurden sie mit Öko-Zement und in den oberen Stockwerken mit Rezyclat-Beton. So können wir auf die Hälfte des normal benötigten Zements verzichten. Natürlich kommen Photovoltaik, Stromspeicher und Wärmepumpe zum Einsatz. Die Lüftung wird durch eine smarte Fensterlüftung geregelt. Sowohl das Bauministerium als auch die Archi- tektentenkammer waren mehrfach da, um sich das Projekt anzuschauen. Die Wertschätzung ist hoch. Wir sind ein kleineres Unternehmen, deshalb bin ich auf die Leistung unserer Architekten und Mitarbeiter stolz.

Technik hat den Nachteil, dass sie gerade schwer verfügbar ist, wie gehen Wohnungsbauunternehmen mit dem Thema um?

Karl-Heinz Seeger: Sie haben nirgends mehr Verlässlichkeit. Die Politik kann gerne fordern, überall PV-Anlagen zu installieren ... wenn die technischen Komponenten nicht verfügbar sind, ist das aber nicht zielführend. Das haben wir auch dem Ministerium mitgeteilt. Die Wohnungswirtschaft wird immer mehr zum Logistiker und steht in Kontakt mit chinesischen oder mit türkischen Unternehmen, damit wir unsere PV- und Solarthermie-Anlagen und Luftwärmepumpen bekommen – bei denen haben wir gerade Lieferzeiten von über einem Jahr ... 

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