Musik ist systemrelevant
Ist das Kunst oder kann das weg? Eine Frage, die Julia Oschewsky und Marc Kluschat – bekannt als Duo „Kleingartenanlage“ – in ihrem Song „System relevant“ stellen. Und zwar in Bezug auf Musiker und stellvertretend für alle, die unter der gegenwärtigen Krise am meisten Leiden: die Kulturschaffenden, die Mitarbeiter der Unterhaltungsbranche.
„Die Gesellschaft redet derzeit viel über Solidarität“, so Marc Kluschat. „Und immer wieder wird betont, wie wichtig Kultur sei. Wir erleben das derzeit nicht so.“ Insbesondere die finanziellen Hilfen seien oft nicht auf die Bedürfnisse der Künstler zugeschnitten. Viele seien mittlerweile in die Grundsicherung gerutscht.
Auf YouTube hat der Song „Systemrelevant“ mittlerweile Tausende von Aufrufen. Das Video ist mit viel Liebe zum Detail und aufwändig produziert – aufgenommen an vielen bekannten Locations in Bad Kreuznach. Die Melodie hat Ohrwurmpotenzial und lässt den Text wunderbar zur Geltung kommen. Obwohl im Grunde nur Berufsgruppen und Tätigkeitsbereiche aufgezählt und mit dem Attribut „Systemrelevant“ versehen werden jeweils mit einem mitgedachten Frage- oder Ausrufezeichen. Der bissige Kommentar steckt dabei in der Reihenfolge und Anordnung ... Die beiden „Kleingärtner“ sind nicht so existenziell von der Krise betroffen wie manch andere Kollegen. Sie haben einen festen Job. Kluschat ist Leiter der Musikschule Mittlere Nahe, Julia Oschewsky ist bei der Musikschule Ingelheim angestellt.
Zwangspause
Dennoch hat sich ihre Arbeit radikal verändert. Während sie im Schnitt pro Jahr rund 40 Konzerte geben, waren es im vergangenen Jahr ganze zehn. „Das waren teilweise ganz tolle Erlebnisse“, so Marc Kluschat. Aber eben nichts im Vergleich zu „normalen Zeiten“. Genauso wie in der Musikschule. Online-Unterricht im Frühjahrs- Lockdown, Unterricht mit ausreichender Distanz in den vergangenen Monaten. „Ich war überrascht, wie gut der Online-Unterricht funktioniert – nach der Zeit ohne Musik waren die Jugendlichen richtig heiß drauf ...”
Die beiden Musiker haben eine lange Erfahrung im Business. Die Bingerin und den Guldentaler verbindet eine langjährige musikalische Zusammenarbeit, beispielsweise im Rahmen des Musical-Projekts „The Who’s Tommy“. Ihr Duo-Debüt gaben die beiden im August 2013 auf Johann Lafers Hausparty auf der Stromburg.
Seither überrascht das Duo in der Vielfalt einer ganzen Band mit abwechslungsreichen eigenen Songs und originellen Arrangements bekannter Klassiker.
2015 erschien ihr Debütalbum „No Status Quo“ mit acht Liedern aus eigener Feder, geprägt von virtuosem Gitarrenspiel und ausdrucksstarkem Gesang.
Support für bekannte Künstler
Zu den Highlights ihrer Bandkarriere zählen Engagements als Support für Silje Nergaard im Frankfurter Hof, Sarah Connor im Volkspark in Mainz und Michael Schulte in Langenlonsheim sowie ein Konzert im Kreuznacher Kurhaus mit dem Streichorchester „ALBA”. 2018 erschien mit „This Far“ das zweite Album. Woher der ungewöhnliche Name „Kleingarten” stammt? Der Assoziation mit einer gewissen Spießigkeit oder gar Kleinbürgertum stellen die beiden auf ihrer „Spielwiese“ ihre Vielseitigkeit gegenüber, die Bereitschaft, viele unterschiedliche Blumen und Pflanzen in Form ganz unterschiedlicher Stile von Songs zum Erblühen zu bringen. Oschewsky und Kluschat wollten zu zweit eine Gruppe gründen, die es ermöglicht, Musik in ehrlicher, frischer und intimer Art und Weise zu präsentieren, ohne dabei den großen Bandsound vermissen zu lassen. So erfüllt Marc Kluschat innerhalb der Band nicht nur die Funktion des Gitarristen, sondern auch die des Schlagzeugers, der mit Hilfe diverser Fußmaschinen für den Rhythmus sorgt. Darüber hinaus fügten sich Julia Oschewskys Stimme und das doppelte Gitarrenspiel schnell zu einer wohlklingenden Einheit zusammen.
Schönste Stimme
Für ihre Interpretation des Joni Mitchell Klassikers „River“ verlieh ihnen SWR1 im Dezember 2014 den Sonderpreis in der Kategorie „Schönste Stimme - Bestes Duo“ im Rahmen des jährlichen Weihnachtssong-Contests. Wie so viele Kollegen haben sie die Zeit genutzt, um kreativ tätig zu sein: Im kommenden Jahr steht eine neue Platte der Kleingartenanlage an. Ein Vorgeschmack bietet die Single – und sie zeigt, wie wichtig Musik als Kommentator, als Begleiter für aktuelle Entwicklungen ist. Systemrelevant eben.